Vellmar/Udenhausen – Im zweiten Teil unserer Serie über die ältesten Leichtathletik-Rekorde im Kreis Hofgeismar blicken wir heute auf Günter Zeiß.

Zeiß hatte 1962 im Trikot des KSV Hessen Kassel als Deutscher Meister den westdeutschen Dreisprungrekord auf 15,78 Meter verbessert. 1967 stellte er seine persönliche Bestleistung von 16,29 Metern auf. Damit zählte er damals zur erweiterten Weltspitze und startete bei sieben Länderkämpfen für den DLV. Am sechsten Mai 1972 setzte Zeiß im Trikot des TSV Udenhausen mit 15,07 Metern eine neue Höchstmarke für den Kreis Hofgeismar, an die in den 50 Jahren seither kein Athlet näher als eineinhalb Meter herangekommen ist. Das größte Potential für eine Rekordverbesserung hatte Jörn Plinke (TSG Hofgeismar), der 2001 als 16-Jähriger 13,26 Meter sprang, danach aber von Verletzungen zurückgeworfen wurde.

 

Wie kam ein Deutscher Rekordler vom großen KSV Hessen zum kleinen Dorfverein TSV Udenhausen? „Ich stand in Kontakt mit Peter Purkert, Abteilungsleiter Leichtathletik beim TSV. Da ich nach meiner langjährigen Aktivenzeit mein Wissen weitergeben wollte, trug ich dem KSV an, als Übungsleiter tätig werden zu wollen. Doch deren Meinung war, dass ich als Aktiver wichtiger wäre. Also ging ich auf Purkerts Anfrage, ob ich nicht Interesse hätte, auf dem Dorf Trainer zu werden, ein. Unter erschwerten Bedingungen (es gab nur einen Rasenplatz in Udenhausen und eine Aschenbahn in Hofgeismar) bildete sich innerhalb kurzer Zeit eine schlagkräftige Truppe. Wir wurden unter anderem Nordhessenmeister der Männer in der 4x100-Meter-Staffel gegen den haushohen Favoriten KSV Hessen Kassel.“

Als Zeiß in Udenhausen als Trainer anfing, trainierte er nicht mehr leistungsorientiert, bestritt aber noch sporadisch Wettkämpfe. „1972 wollte ich nach zweieinhalb Jahren Trainingspause testen, ob ich noch das Zeug für die deutsche Spitzenklasse habe. Die 15,07 Meter fielen gleich im ersten Wettkampf, einem Sportfest in Gelnhausen. Kurz danach versuchte ich in Kassel den Kreisrekord meines Schützlings Franz Koch zu brechen, was mit 7,21 Metern und zwei Zentimetern Rückstand knapp nicht gelang.“

In seiner Trainingsphilosophie legte Zeiß viel Wert auf koordinative Fähigkeiten, da fast alle Sportler beim TSV Neulinge oder noch sehr trainingsjung waren. „Maximalgeschwindigkeit und Grundlagenausdauer standen im Vordergrund. Serienläufe und Schnelligkeitsausdauer waren für mich erst sinnvoll, wenn diese hervorragend entwickelt waren.“ Ebenso war ihm ein hoher Individualisierungsgrad des Trainings und der Technikentwicklung wichtig. „Wenn die grundsätzlichen Technikelemente stimmten, nahm ich keine Veränderungen mehr vor, weil dadurch oft - so meine Erfahrung - persönliche Stärken reduziert werden.“

Nach drei Jahren war das Kapitel TSV Udenhausen für Zeiß beendet. „Die Zeit beim TSV hat mich als Trainer geprägt. Der Zusammenhalt und die familiäre Situation mit dem umtriebigen Macher Purkert waren wunderbar“. Zeiß kehrte als Trainer zum KSV zurück und war auch Landestrainer im Hessischen Leichtathletikverband. Ab 1989 engagierte er sich dann beim SSC Vellmar, wo er bis heute als Trainer tätig ist. „Seit 50 Jahren als Trainer dabei, dafür muss man positiv verrückt sein“.

In der langen Liste erfolgreicher von Zeiß trainierter Sportler stehen neben dem Friedrichsfelder Franz Koch (über ihn berichteten wir bereits) die Deutschen Seniorenmeister Dieter Glübert, Klaus Moll und Anke Rümpler. Im Nachwuchsbereich zählten Futzum Kidane, Tobias Machal, Katrin Rahmlow, Joshua Redmond, Sven Eichel und Christopher Hödl zur DLV-Nachwuchsspitze. 6,11-Meter-Weitspringerin Sharin Oziegbe nahm sogar an den Weltjugendspielen in Nanjing teil. Derzeitiges Aushängeschild ist die vierfache Hessenmeisterin im Siebenkampf, Carolin Klupsch.